Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Über die Bedeutung der damaligen Bahnhofarchitektur

Bahnhöfe - Baustile - Eisenbahn - Ideologien




«Während die Ingenieure des 19. Jahrhunderts in ihren Bahnhofentwürfen ihr Vertrauen in eine technologische und immer effizientere Zukunft ausdrücken, scheinen die Architekten einer Gegenströmung Ausdruck zu geben, die damals in der Bevölkerungsmehrheit spürbar war. Sie berücksichtigten die Angst vor einem zu brüsken Sprung in die Zukunft, den Wunsch, in der Darstellung von Tradition und Innovation sehr vorsichtig zu sein. Wie um die Umwälzungen, welche der Bahnhof in die Stadt gebracht hatte vergessen zu machen, erhielten fast alle Bahnhöfe des 19. Jahrhunderts ein an der Vergangenheit orientiertes Gesicht: Sie erinnerten an griechische Tempel, römische Markthallen und gotische Kathedralen. Diese bemerkenswerte Einigkeit im Rückgriff auf Vergangenes bringt eine Furcht vor der rasanten Ausbreitung einer Modernität zum Ausdruck, die schon damals mehr beunruhigte als Sicherheit vermittelte. So hat die Bahnhofarchitektur während eines Jahrhunderts versucht, die Angst vor einer Modernität zu zerstreuen, die wie eine Aggression empfunden wurde. (…)
Der 1923 eingeweihte neue Bieler Bahnhof macht hier keine Ausnahme. Das von der Antike inspirierte Giebeldreieck beherrscht den ganzen Bahnhofplatz und erscheint von der Bahnhofstrasse aus wie das Symbol eines neuen Tores zur Welt, so wie die Giebeldreiecke der Griechen und Römer Embleme der Eroberung waren. Doch als Zeichen der modernen Zeit trägt das Giebeldreieck das Sinnbild einer neuen Macht: Die alles regelnde Uhr, die von zwei Figuren eingerahmt wird.»

 


Autor: 0 / Quelle: 1999
Format: 1980