Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Fritz Jordi

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Herkunft und Prägung

Fritz Jordi wurde am 13. September 1885 in Belp geboren. Nach seiner Lehre trat er in die Buchdruckerei des Vaters ein. Jordi begeisterte sich früh für den Sozialismus und knüpfte Beziehungen zu sozialistischen Immigranten. Er gründete den Verlag «Promachos» (griechisch für *Vorkämpfer"), um die Schriften ausländischer Sozialisten herauszugeben. 1917 gab er seine Druckerei an seinen Bruder weiter und zog mit einer alten Druckmaschine nach Biel, um näher an den aktuellen politischen Geschehnissen zu sein.

Jordis publizistische Tätigkeit für die Bieler Arbeiterbewegung

In Biel richtete Jordi eine kleine Druckerei ein und verlegte ab September 1917 eine eigene Zeitung: das «Arbeiter-Blatt». Das Blatt erschien zweimal wöchentlich, grösstenteils schrieb Jordi den redaktionellen Teil selber. Nachdem er die Unterstützung der Bieler Arbeiterorganisationen gewonnen hatte, wurde das Arbeiterblatt zum  offiziellen Publikationsorgan der sozialdemokratischen Partei und der Arbeiterunion Biel. Im Zusammenhang mit den Spannungen innerhalb der Arbeiterbewegung stellte Jordi die Publikation des Arbeiter-Blattes 1919 ein. Er war aber bereit, ab Oktober 1920 die "Seeländer Volksstimme", das neue Organ der Bieler Sozialdemokraten, dreimal wöchentlich herauszugeben. Infolge politischer Differenzen beschlossen die Sozialdemokraten, ihr Parteiorgan ab dem 1. Januar 1923 in eigener Regie herauszugeben.   

Die Begeisterung für die Russische Revolution

Fritz Jordi vermochte die Bieler Jungburschenbewegung zu radikalisieren. Diese war ursprünglich als Klub mit einem harmlosen Freizeitprogramm gegründet worden, bevor sich ihre Mitglieder ab 1916 an der Antikriegspropaganda zu beteiligen begannen. Jordi trat bei den Jungburschen als Mentor auf - er war um einige Jahre älter als die meisten Mitglieder. Als Jordi sich einer radikal revolutionären Gruppe anschloss, wurde ihm die Unterstützung von Seiten der sozialdemokratischen Partei entzogen. Nach dem Landesstreik 1918 forderte er mit einigen weiteren kommunistsich gesinnten Mitgliedern der Jungburschen die Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten und die Vorbereitung neuer, revolutionärer Massenstreiks. Wie in anderen Schweizer Städten bildete sich im Frühjahr 1919 auch in Biel eine kommunistische Gruppierung, die vor allem unter den jungen Arbeitern Unterstützung fand. Für die Kommunisten gab Jordi  ab Februar 1919 die Zeitschrift "Die neue Internationale", ab dem 1. August 1919 den "Bieler Vorwärts" heraus. Diese Publikationen wurden von seiner "Promachos-Presse" in Alfermée gedruckt. Vermutlich gehörte Jordi zu den Teilnehmern am Gründungskongress der Kommunistischen Partei der Schweiz in Biel (24./25. Mai 1919) . Im Juni 1921 war er einer der 17 Schweizer Delegierten am 3. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Moskau. Danach führte Jordi seine Suche nach einem menschlichen Sozialismus weiter. Im Spätherbst 1921 besuchte er die von dem Maler Heinrich Vogeler gegründete sozialistische Arbeitsschule und Landkommune Barkenhoff in Worpswede. Das Projekt Barkenhoff überzeugte ihn nicht ganz, aber in Vogeler fand er einen ihm geistig verwandten Freund.

Fontana Martina - landwirtschaftliche Genossenschaft und Künstlerkolonie

Mitte der 20er-Jahre zog sich Jordi mit seiner Familie ins Tessin zurück. Die Entwicklungen in der Sowjetunion und in der Arbeiterbewegung hatten ihn enttäuscht. Er kaufte das Ruinendörfchen Fontana Martina oberhalb von Ascona, um dort mit seiner Familie und derjenigen seines Freundes Heinrich Vogeler eine landwirtschaftliche Genossenschaft zu gründen. Zwischen 1928 und 1930 arbeiteten die beiden Familien mit befreundeten Sozialdemokraten und Kommunisten am Wiederaufbau des Dorfes.  Nach dem Rückzug Vogelers im Jahr 1930 orientierte Jordi sich neu. Aus Fontana Martina wurde nach und nach eine Künstlersiedlung, die viele antifaschistisch gesinnte Kunstschaffende anzog. Nicht nur Gustav Regler und Carl Meffert lebten vorübergehend in Fontana Martina, auch Jonny Rieger, Ernst Geiger, Ignazio Silone und Jakob Bührer besuchten die Künstlerkolonie. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 wurde Fontana Martina zum vorübergehenden Unterschlupf für antifaschistische Deutsche.

Jordis antifaschistische Zeitschrift

Einen wichtigen Beitrag zur Ausstrahlung der Künstlerkolonie leistete Jordis ab 1931 erscheinende Zeitschrift "Fontana Martina". Darin berichtete er über die Theorie und Praxis von sozialistischen Siedlungsprojekten, publizierte aber auch zahlreiche Texte gegen den Faschismus. Zum Erfolg der Halbmonatsschrift trug ihr hohes künstlerisches Niveau bei. Jede Nummer brachte grafische Blätter von Carl Meffert, Helen Èrnst und anderen Kunstschaffenden.

Das Ende der Künstlersiedlung

Carl Meffert kommentierte das Scheitern der Künstlersiedlung wie folgt: "Jordis Siedlung war ein wichtiger und positiver Versuch, der schliesslich scheitern musste. Erstens wegen der immer schwieriger werdenden ökonomischen Verhältnisse in der Krisenzeit, zweitens, weil es uns nicht gelungen war, genug junge Kräfte zu interessieren, heraufzukommen und mitzumachen. (...) Hinzu kommt, dass die Situation sich damals grundlegend veränderte - vor allem durch Nazi-Deutschland, das ja schon im Kommen war. Wir mussten dorthin zurückgehen, wo wir eine grössere Aufgabe und grössere Resonanz fanden. "Fontana Martina" war eine schöne Zeitschrift, sie war aber  nur auf einen kleinen Kreis beschränkt. (...) Unser Leben in Fontana Martina war sehr schön, aber wir lebten wie auf einer Insel. Wir konnten nicht so einen lebendigen Kontakt haben zu den damals wichtigen Problemen. Den gab es nur durch die Arbeit für Arbeiterzeitungen und Ähnliches. Deshalb bin ich zu denen zurückgegangen (...).

Jordis Engagement für die Siedler

Auch nach dem Weggang vieler Künstlerinnen und Künstler blieb Fritz Jordi in Fontana Martina, wo er auf der "Bergpresse Fontana Martina" weitere Werke publizierte. 1938 gründete er zusammen mit Margarethe Hardegger und ihrem späteren Ehemann Hans Brunner die Notgemeinschaft für Tessiner Siedler und Kleinbesitzer.  Am 29. Juni des selben Jahres verstarb er. Sein Sohn Peter führte sein Werk weiter. Es gelang ihm, Fontana Martina erneut zu einem Künstlertreffpunkt zu machen.



Autor: Manuela Di Franco/ Christoph Lörtscher / Quelle: 1880