Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Die Anfänge der Pfahlbauforschung in unserer Region

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Die ersten Pfahlbauforschungen in unserer Region

Die erste schriftliche Quelle zur Begegnung mit Pfahlbauten in unserer Region geht auf das Jahr 1767 zurück. Damals verfasste Abraham Pagan, der Stadtschreiber von Nidau, eine historische Beschreibung seiner Vogtei. Bei der Beschreibung des Bielersees berichtete er: „Bey dem Auslauf oder dem sogenannten Steinberg siehet man etliche Klafter tief Pfähle, welche entweder ein Gebäude anzeigen oder es muss da ein Fischfang gewesen sein, welches letztere wahrscheinlicher ist. Allein diese Überbleibsel sind so tief, dass der See zu der Zeit, da man auf der Stelle etwas gebaut hat, kleiner gewesen seyn muss.“  
Was Pagan sah, hatten vermutlich schon viele Händler gesehen, die ihre Salz- und Weintransporte durch die Zihl bei Nidau führten.

Die ersten Versuche, die Reste der Pfahlbauten von Nidau-Steinberg zu deuten, unternahmen 1811 bis 1813 der Berner Archivar und Münzsammler Franz Ludwig Haller von Königsfelden und der Geistliche Charles-Ferdinand Morel aus Corgémont.  Haller ordnete die Stätte aufgrund von Münzfunden der Römerzeit zu, Morel vermutete, es handle sich um die Spuren einer römischen Festung zur Sicherung des Zihldurchganges. Zur gleichen Zeit leitete Hauptmann Schlatter eine erste Vermessung der Pfahlbaureste durch, die auch er als Überreste aus der Römerzeit interpretierte.

Sigismund von Wagners Forschungen – zwischen Gedankenblitz  und Phantasie

Sigismund von Wagner war der erste Forscher, der die Stätte von Nidau-Steinberg ausführlich beschrieb und versuchte, sie in einen konkreten historischen Kontext zu stellen. Im Verlauf dieser Arbeit entfuhr ihm ein geradezu prophetischer Gedankenblitz. In einem Brief an seinen Freund David Hess schrieb er: „Die Eingeweide der Erde reden, wo die Geschichte schweigt, und dieses wird wahrscheinlich noch in wichtigeren Dingen geschehen, als meine Hypothese ist, und allerhand wird durch diese subterrane Chronik wohl widerlegt und über den Haufen geworfen werden, woran noch viele felsenfest glauben, die den Urvater Moses zu dem einzigen Gewährsmann über die Geschichte des Erdballes anerkennen.“ Von Wagners Interpretation der Pfahlbaureste orientierte sich jedoch weiterhin an der Annahme, dass es sich um eine Stätte aus der Römerzeit handle: Am Ausfluss der Zihl sei einst die keltisch-römische Stadt Noidenolex gestanden, die unter Cäsar und Augustus erbaut worden sei. Zur Regierungszeit von Vespasian und Titus sei die Stadt weiter ausgebaut und mit Mauern und Türmen Hafen und Leuchtturm ausgestattet  worden. Erst eine Naturkatastrophe um das Jahr 400 nach unserer Zeitrechnung habe  Noidenolex ein plötzliches Ende bereitet: Ein Bergsturz am Jensberg habe die Zihl verschüttet und so die Juraseen gestaut – der Bielersee sei über die Ufer getreten seine Fluten hätten Noidenolex unter sich begraben.

Neue Fundorte, Vernetzung der Erforscher

Etwa um 1840 zeigte ein Fischer dem Archäologen Albert Jahn ein Gefäss, das er in der Bucht bei Mörigen zwischen einer Unzahl von Pfählen aus dem Wasser gezogen habe. Jahn begab sich zum Fundort. Mit blossem Auge konnte er erkennen, dass sich unter dem Seespiegel weitere von Menschen gefertigte Gegenstände befanden. Die Tonringe und Töpferscherben identifizierte Jahn als keltischen Ursprungs. Weil er selber zu wenig Zeit hatte, um sich eingehender mit dieser Fundstelle zu befassen, informierte Jahn 1843 den Nidauer Notar und Forscher Emmanuel Müller über seine Funde. Müller untersuchte die Bucht, und dank der Unterstützung einiger Fischer gelang es ihm bald, eine kleine Sammlung von Fundstücken anzulegen. Die Entdeckung von „Kähnen aus ganzen Baumstämmen“ veranlasste ihn, auf die überregionale Bedeutung des Fundortes aufmerksam zu machen: 1849 erhielt Ferdinand Keller, der Präsident der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Müllers originellen Vorschlag, die Fundstelle mit einem Taucherapparat zu erforschen. Keller erhielt auch Postsendungen mit Bronzeäxten, Sicheln und Zeichnungen weiterer Funde. In jedem Brief schlug Müller Keller vor, die Fundstellen am Bielersee persönlich zu besuchen.

Zu einem Besuch Kellers kam es vorerst nicht, dafür konnte Müller die Zusammenarbeit mit dem Bieler Obersten Friedrich Schwab intensivieren, der sich seit 1846 für die Fundstätten unter dem Seespiegel interessierte. Keramikfunde, die ein Fischer 1852 bei der Stätte von Nidau Steinberg gemacht hatte, erinnerten die beiden an die bei Mörigen gemachten Funde. Sie nutzten den niedrigen Wasserstand für die nähere Erforschung der bisher als römisch eingestuften Station, und bald darauf zierten zahlreiche neue Funde ihre Sammlungen. Doch dabei blieb es nicht – die beiden Forscher wurden auf weitere Fundorte aufmerksam gemacht, und sie leiteten ihrerseits das erworbene Wissen weiter. Schwab teilte dem Bieler Historiker C.A. Blösch mit, er schätze das Alter der Pfähle, auf denen "von Norden eingewanderte Barbaren, später Kelten genannt" ihre Hütten errichtet hätten, auf wenigstens "dritthalb tausend Jahre". Und schon vor der Entdeckung der Pfahlbauten von Meilen erfuhr Ferdinand Keller von Müller, dass am Bielersee bereits sechs Fundstellen mit Pfählen bekannt seien. Sowohl Schwab als auch Müller glaubten, es handle sich um ehemalige Landansiedlungen, die bei einem anormalen Anstieg des Seespiegels in den Fluten verschwunden seien. Aus heutiger Sicht hatten Sie damit in den meisten Fällen Recht. Aber das Interesse für die Urgeschichte kam erst richtig auf, als Ferdinand Keller 1854 die Hypothese formulierte, dass die Vorzeit unseres Landes von einer einheitlichen Pfahlbauerkultur geprägt worden sei, die ihre Siedlungen auf Plattformen über dem Seespiegel gebaut habe.

Quellen:

Ischer T, (1928). Die Pfahlbauten des Bielersees, Biel: Verlag der Heimatkundekommission Seeland
Blösch C.A. (1855). Geschichte der Stadt Biel und ihres Panner-Gebietes, Biel: Gassmann












Autor: Christoph Lörtscher / Quelle: Diverse 2011