Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Turbulenter Auftakt

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Die in Solothurn ansässige Buchdruckerfamilie Gassmann stand schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Biel in Verbindung. Deshalb folgte Franz Joseph Amatus Gassmann dem Ruf der Liberal-Konservativen aus Biel und richtete 1849 in Biel eine neue Druckerei ein. Am 1. Januar 1850 wurde die erste Ausgabe des «Seeländer Boten» gedruckt, der in der Folge jeweils dienstags, donnerstags und samstags erschien.
 
Das Risiko, welches Amatus einging, war nicht gering. Am Platze gab es schon eine Zeitung und über obrigkeitliche Aufträge verfügte er nicht. Ferner abonnierte und las damals nur eine kleine Schicht von «Meinungsmachern» die politische Presse. Beispielsweise Gemeindeschreiber, Schulmeister oder Wirte. Es ist anzunehmen, dass die führenden Köpfe der liberal-konservativen Partei, meist Geschäftsinhaber und Fabrikanten, der Druckerei allerlei Geschäftsdrucksachen zukommen liessen. Denn mit der Zeitung allein, die in ihrem zweiten Jahrgang 1000 Abonnenten zählte, liessen sich keine grossen Einnahmen tätigen.
 
Auch politisch betrat Amatus ein schwieriges Umfeld. Die Zeitungsgründung stand in direktem Zusammenhang mit den Grossratswahlen vom Mai 1850. In Biel standen sich die Radikalen, unter Alexander Schöni, und die Liberal-Konservativen, unter David Schwab, gegenüber. Der Wahlkampf führte zu heftigen Tumulten, Anpöbeleien und gar Schlägereien zwischen den Anhängern der beiden Parteien. Der «Seeländer Bote» war in seinen ersten Jahrgängen als liberal-konservatives Sprachrohr klar ein Parteikampfblatt. Die Zeitung nahm kein Blatt vor den Mund, und Amatus führte eine spitze Feder, was ihm 1850 seitens der Radikalen eine Ehrverletzungsklage einbrachte. Er wurde vom Obergericht zu sechs Tagen Haft und einer Busse verurteilt. Als die Radikalen die Wahlen verloren hatten, blieb es nicht allein bei einer Ehrverletzungsklage. Dem Verleger des «Seeländer Boten» wurde das Geschäftsschild zerschlagen. Einige Zeit später wurden beim Verlagshaus noch die Fenster eingeschlagen.
 
Hier weilte jetzt aber nicht mehr Amatus. Dieser hatte sich nach dem Wahlsieg der Liberal-Konservativen nach Solothurn zurückgezogen und das Geschäft seinem Halbbruder Moritz abgetreten. In dieser Pressefehde war die ehemals streitbare «Neue Jura-Zeitung» das Opfer, welches 1852 das Feld räumen musste. Obwohl der Verlag fortan erstarkte, entschied sich Moritz – aus welchen Gründen auch immer – für einen persönlichen Neubeginn. Im Frühjahr 1861 überliess er das Geschäft seinem damals erst 16-jährigen Sohn Franz Wilhelm, genannt Wilhelm.


Autor: Matthias Nast / Quelle: 1848