Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Zwischen Reform und Geschäft

Berner Jura - Region / Agglomeration Biel - Seeland - Stadt Biel - übrige Orte - Alltag - Gesundheit und Krankheit - Haushalt und Hausarbeit - Mode und Kleidung - Wohnhäuser




Es waren Reformen und Forderungen auf dem Gebiet der Gesundheit und der Hygiene, der Kunst, des Kunsthandwerks und der Frauenkleidung.

Um die Tuberkulose zu bekämpfen, jene ansteckende Krankheit, die um die Jahrhundertwende in Europa die meisten Todesopfer forderte, intensivieren Behörden, Ärzte und Pädagogen die Aufklärung über Hygiene. Auch Haushaltsbücher übernehmen eine wichtige Erziehungsarbeit für Sauberkeit, Hygiene und Gesundheit. In der Wohnung werden vermeidbare Staubfänger wie Teppiche, textile Wandbehänge, Draperien, schwere Vorhänge - alles Lieblingselemente der vorangegangenen Epoche - und rohes Holzwerk, ersetzt durch Linoleum, abwaschbare Tapeten, Rollos und «Faux-bois»-Malereien auf Holz. Aus Angst vor den krank machenden Miasmen, den übel riechenden Dämpfen, die von den Fäkaliengruben aufsteigen, wird die Toilette in den Hof oder auf die Laube verbannt. Dank der Erfindung des Siphons kommt sie allmählich ins Innere, zunächst ins Treppenhaus, später neben die andere Nasszelle, die Küche. Körperpflege wird propagiert, öffentliche Bäder und Duschanlagen in den Schulen werden gebaut, doch muss man noch bis in die 1950er-Jahre warten, bis für jede neue Wohnung ein Badezimmer eingeplant wird.

Von der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung geht seit 1860 die Kritik an den industriellen Massenprodukten des täglichen Lebens aus. Jugendstil, Art nouveau, Künstlersezessionen, Heimatstil und Heimatschutz, Wiener Werkstätten, Werkbund u.a. stehen für Reformbestrebungen in Kunst, Kunsthandwerk und Architektur. Handwerklich solide Möbel, Objekte in einfachen, schönen und wahren Formen sollen den Menschen umgeben, nicht Stilkopien vergangener Epochen.

1897 wird in Deutschland der «Allgemeine Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung» gegründet. Im England des späten 18. Jahrhunderts, während der Französischen Revolution, und zu wiederholten Malen im 19. Jahrhundert, machten bereits Sozialreformer, Vertreter der Frauenemanzipation, Künstler und Ärzte den Versuch, die Frauen vom Korsett zu befreien. Doch erst die Anforderungen der neuen Arbeitswelt in Büro und Verkauf, und die Entbehrungen des Ersten Weltkriegs, verhalfen der Reformbewegung nachhaltig zum Durchbruch.



Autor: Ingrid Ehrensperger / Quelle: 1848