Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Die Bieler Johanniterkomturei – ein Kleinod in der südöstlichen Ecke der Stadt

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Als die Visitatoren am 4. Januar 1495 die Bieler Priesterkomturei erreichten, fanden sie ein blühendes Anwesen vor. Die Komturei wurde von den Ordensbrüdern Michael Grönisen, Johannes Ruesch, Simon Löw, Georg Lang und dem Komtur Stephan Lang bewohnt. Lang, seit 1467 im Amt, musste unter anderem die wirtschaftlichen Bereiche der Niederlassung regeln und die Abgaben an die Ordensleitung sichern.
Die Komturei schien in der Lage zu sein, dem Hauptsitz einen erheblichen Betrag zukommen zu lassen. Denn die Visitatoren stellten nicht nur fest, dass das Konventgebäude renoviert und mit einem geheizten Raum ausgestattet war, sie sahen auch ein zweites, kürzlich erstelltes Konventgebäude. Die Komturei verfügte ausserdem über einen neuen Garten und einen Friedhof, der auf kürzlich angekauftem Terrain angelegt worden war.
In der Kirche bewunderten die Visitatoren ein schönes und grosses Altarbild, der Altar war mit einem silbernen Kreuz und einer silbernen Johannesschüssel ausgestattet. Sie hörten den Klang der neuen Glocke, und sie lobten die Qualität der beiden neuen Messgewänder aus Goldbrokat und aus weissem Damast. Befriedigt stellten sie fest, dass die Kirche über neue Gesangsbücher und einen neuen Psalter verfügte.

Besonders beeindruckt waren sie von der Bibliothek der Komturei. Von den etwa 160 Bänden war mehr als die Hälfte erst seit kurzem angeschafft worden, darunter befanden sich Titel wie das Catholicon, Werke des Nikolaus von Lyra, die „Summa theologica“ des Thomas von Aquin, eine Schrift des Johannes Duns Scotus und ein fünfbändiges Werk des Nicoló de Tudesci (Panormitanus). Mit dem Ordensbruder Simon Löw, der einen akademischen Grad in Theologie erworben hatte, unterhielten sich die Visitatoren möglicherweise über theologische Fragen. Zu solchen Gesprächen hatten sie im Verlauf ihrer Visitation nur selten Gelegenheit, denn die meisten Komtureien verfügten damals kaum über studierte Theologen.

Die besondere finanzielle Situation der Bieler Komturei

Als die Visitatoren die finanziellen Verhältnisse der Komturei untersuchten, werden sie wohl gestaunt haben. Denn der Zehnten von Brügg, ein wenig Rebbesitz und einige Hauszinsen waren die einzigen Einkünfte. Sie reichten nicht einmal aus, um die laufenden Kosten der Bieler Niederlassung zu bestreiten,und für das Jahr vor der Visitation ergab sich ein Defizit von 32 Gulden. Den Visitatoren blieb nichts anderes übrig, als die Abgaben der Bieler Johanniter an den Hauptsitz in Rhodos auf 5 Gulden begrenzen.

Die Bedeutung des Komturs Stephan Lang


Die Blütezeit der Bieler Komturei war in materieller Hinsicht weitgehend dem aussergewöhnlichen Engagement Stephan Langs zu verdanken. Der Komtur bestritt nicht nur einen Teil der laufenden Ausgaben aus der eigenen Tasche, sondern finanzierte alle Renovationen, Neubauten und deren Ausstattung. Eine wissenschaftliche Arbeit belegt, dass Langs Engagement in jenen Jahren eine Ausnahmeerscheinung war. Walter Gerd Rödel, der im Rahmen seiner Dissertation die Visitationsberichte der Jahre 1494 und 1495 auswertete machte dazu eine klare Aussage. In Kenntnis der Berichte über 109 Niederlassungen des Johanniterordens auf dem Gebiet Deutschlands, des Elsass und der heutigen Schweiz schrieb er: „Es wird wohl kaum mehr Ordensbrüder von solchem Idealismus und solcher Finanzkraft gegeben haben, die sich für ihre Komturei so einsetzten, wie Stephan Lang in Biel“.

Die Bieler Komturen nach Langs Tod bis zur Reformation

Nach Langs Tod (um das Jahr 1501) trat Simon Löw dessen Nachfolge als Leiter der Bieler Johanniterkomturei an. Er verstarb jedoch bereits um das Jahr 1503. Die Amtszeit von Löws Nachfolger, Johannes Andres, ist nicht genau überliefert, sie dauerte etwa bis 1510. Es folgten Heinrich Stapfer (vor 1510 bis 1523) und Jakob Pfyffer (1524-1528). Auch während der Amtszeit von Langs Nachfolgern blieb die Ertragslage der Bieler Johanniterniederlassung schlecht. Es ist aber wenig wahrscheinlich, dass sie die prekären Verhältnisse in einem vergleichbaren Ausmass mit privaten Zuwendungen kompensierten wie Lang.

Zum Weiterlesen

Walter Gerd Rödel, Das Grosspriorat Deutschland des Johanniter-Ordens im Übergang vom Mittelalter zur Reformation, Wienand Verlag Köln, 1972

Margrit Wick-Werder, Die Komturei Biel, in: HELVETIA SACRA, Die Orden mit Augustinerregel, Band 7, Schwabe, 2006




Autor: Christoph Lörtscher / Quelle: Diverse 2009
Format: Christoph Lörtscher