Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Warum Heinzens Text in Biel erschien

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Johann Philipp Beckers Kampf  für ein demokratisches und einiges Deutschland

Obwohl Karl Heinzen sich nie in Biel niedergelassen hat, erschien sein Grundlagentext zum Terrorismus in Biel. Diese Tatsache hat vor allem mit dem Wirken des deutschen Republikaners und Demokraten Johann Philipp Becker zu tun.

Seit dem Jahr 1839 lebte Becker als Einsasse in der fortschrittlichen Stadt Biel, wo er für sich und seine Familie eine Existenz aufgebaut hatte. Immer mehr engagierte sich der erfolgreiche Geschäftsmann für seine politischen Ideale; dabei schloss er Freundschaft mit mehreren Radikalen aus Biel und Umgebung, insbesondere mit August Weingart, Karl Mathy und Ernst Schüler. Im Rahmen der Organisation "Das Junge Deutschland"  wirkte Becker fortan für eine Demokratisierung seines Heimatlandes - das von der Restauration geprägte Deutschland war in zahlreiche Kleinstaaten zersplittert, die in der Regel von autoritär regierenden Fürsten gelenkt wurden. Gleichzeitig beteiligte er sich an lokalen, kantonalen und eidgenössischen Auseinandersetzungen, indem er die Anliegen der Radikalen unterstützte.

Im Hinblick auf sein Ziel, einen Beitrag an die Entstehung eines einigen und demokratischen  Deutschlands zu leisten, waren Becker auch militärische Erfahrungen wichtig. Sowohl seine Teilnahme am zweiten Freischarenzug gegen das konservativ-katholische Luzern (1845) als auch seine Teilnahme am Sonderbundskrieg (1847) zeigten sein Talent als militärischer Anführer. 

Als die revolutionäre Bewegung des Jahres 1848 auch Deutschland erfasste, warnte Becker früh davor, die militärische Komponente der Auseinandersetzung zu vernachlässigen. An die in der Schweiz lebenden deutschen Emigranten richtete er den Aufruf, sich der von ihm gegründeten "Deutschen Legion" anzuschliessen. Für den Fall eines bewaffneten Aufstandes in Deutschland sollte die deutsche Legion den Aufständischen zu Hilfe kommen.  Im April 1848 kam es im Grossherzogtum Baden tatsächlich zum Aufstand, und Becker führte seine Freischärler über die Grenze. Trotz der zahlenmässigen Unterlegenheit erzielte er eine Reihe militärischer Erfolge; das Scheitern des badischen Aufstandes vermochte er jedoch nicht zu verhindern. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz verfolgte Becker bestürzt, wie die Revolution auch in Wien blutig niedergeschlagen wurde. Besonders erzürnte ihn die Hinrichtung des Revolutionärs Robert Blum, die unter Missachtung von Blums parlamentarischer Immunität erfolgte. Als die Revolutionäre auch in Berlin immer mehr an Terrain verloren, wurde für ihn klar, dass die Kräfte der Restauration noch einmal die Oberhand behalten würden.

Heinzens Teilnahme am Aufstand im Grossherzogtum Baden

Schon im März 1848 hatte Karl Heinzen sein Exil verlassen, um an der revolutionären Bewegung in Deutschland teilzunehmen. Seine Kandidatur für die Verfassungsgebende Versammlung in Frankfurt blieb erfolglos. Bald darauf setzte er sich für die Bildung einer Freiwilligenarmee aus der Schweiz und aus Frankreich ein, um den Aufständischen im Grossherzogtum Baden beizustehen. Der badische Revolutionär Hecker wandte sich jedoch gegen Heinzens Vorhaben, worauf dieser Baden in Richtung Strassburg verliess. Wegen seiner Teilnahme an einem "Komitee für die weitere Propagierung der Revolution" musste er Strassburg wieder verlassen. Die nächste Station seines Exils, die Stadt Genf, war vermutlich der Ort, wo der folgenreiche Artikel "Der Mord" entstand.

"Der Mord" und "Die Evolution"

Die Erfahrung des Scheiterns der 1848er-Revolution verarbeitete Becker mit Hilfe einer Wochenzeitung, die er zwischen Dezember 1848 und März 1849 in Biel herausgab. Das Blatt "Die Revolution" sollte den zahlreichen deutschen Republikanern, die nach verlorenem Kampf in die Schweiz zurückkehrten, eine Stimme geben. Dementsprechend lautete sein Untertitel: "Organ der Gesellschaft 'Hilf Dir' . Organ der deutschen Republikaner-Flüchtlinge in der Schweiz". Als der Kanton Bern die Publikation nach dem Erscheinen der ersten Nummer verbot,  liess Becker das Blatt unter dem Titel "Die Evolution" erscheinen.  Die Publikation von Heinzens Artikel erfolgte vermutlich im Zusammenhang mit Beckers Absicht, allen Meinungen Raum zu geben, die den Kampf gegen die Reatauration noch nicht aufgegeben hatten. Wie acht bis heute erhaltene Briefe Heinzens an Becker zeigen, standen die beiden Politiker im Verlauf des Jahres 1848 in einem regen Gedankenaustausch.

Allerdings zog Becker aus dem Scheitern der 1848er-Revolution ganz andere Schlüsse als Heinzen. Aufgrund seiner Erfahrungen empfahl er den Demokraten Deutschlands, ihre Forderungen nach nationaler Einheit und Freiheit mit sozialen Anliegen zu verbinden. Die Monarchen hätten ihre Erfolge nur erringen können, "weil die Halbheit, welche (im Frankfurter Parlament) am Ruder war, kein Herz für die Leiden, keine Einsicht in die Bedürfnisse der untersten Volksklasse hatte". Somit setzte Becker - wie Karl Marx - auf die verändernde Kraft, die von der damals zahlenmässig rasch wachsenden Arbeiterschaft ausging.



Autor: Christoph Lörtscher / Quelle: Diverse 2011
Format: 2000